Klima
Entgleisung oderStabilisierung
Claudia Nelgen
Bleibt ein sofortiges und radikales Umsteuern im Umgang mit den natürlichen Ressourcen aus, werden die Temperaturen schon in den kommenden Jahrzehnten in einem Ausmaß steigen, das allem Leben auf dem Planeten gravierende Umstellungen abverlangt. So gravierend, dass dies für die meisten Arten schlicht den Exodus bedeutet.
Ein Niedergang der natürlichen Vielfalt an organischem Leben bedeutet indessen auch den Niedergang der Spezies Mensch.
Es ist bereits ein halbes Jahrhundert her, dass sich die Wissenschaft Gehör verschaffte und mit aller Deutlichkeit auf den beständigen Anstieg der Temperaturen auf dem Planeten hinwies (Club of Rome, 1972). Der Aufrüttelungseffekt der Nachricht hatte jedoch eine extrem niedrige Halbwertzeit, denn die mit ihr einhergehende Begründung des alarmierenden Temperaturanstiegs kollidierte allzu zu sehr mit den Interessen und Notwendigkeiten der marktwirtschaftlichen Produktionsweise und mit dem Lebensstil der Menschen in den Industrienationen. Schließlich bildet die Verbrennung fossiler Energieträger das Wachstumselixier der Industrienationen – bis heute. Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass derweil endlich an alternativen Antriebsformen und Energiequellen gearbeitet wird.
Der Stand der Dinge im Jahr 2022 gibt kaum Anlass zu Optimismus. Wie es aussieht, sind Wirtschaft und Politik weiterhin schlicht nicht in der Lage, auf die verheerenden klimatischen Entwicklungen auf dem Planeten adäquat zu reagieren. Als im Januar 2022 in der Europäischen Union beschlossen wurde, die akut gefährlichste und langfristig giftigste Form der Stromerzeugung, nämlich die per Kerntechnik, als nachhaltig auszuweisen und damit zum einen die Förderung der Regenerativen Energie abzuschwächen und zum anderen die Atomstromproduktion investorenfreundlich zu machen, verwies dies erneut darauf, dass es nicht um das Erarbeiten intelligenter Problemlösungen geht, sondern um politisch-ökonomische Interessen. Weshalb die Wissenschaft auch gerne von der Politik in ihre Grenzen verwiesen wird (etwa auf der konstituierenden Sitzung des 20. Deutschen Bundestages in einer Rede von Dr. Schäuble).
Eine globale Wirtschaft, in der sich alles ‚rechnen‘ muss, steckt offenbar in systemischen Abhängigkeiten, die ihr - sobald es um existentielle Probleme geht wie das Schwinden der natürlichen Ressourcen, die Erderwärmung, die mit ihr einhergehende Übersäuerung der Meere und den Artenschwund – die Manövrierfähigkeit rauben.
Dies noch zur Erderwärmung und ihren Folgen:
Die globale Durchschnittstemperatur der erdnahen Atmosphäre ist gegenüber der vorindustriellen Zeit (es wird zumeist das Jahr 1850 angesetzt) um knapp 1,2 Grad gestiegen (https://www.tagesschau.de/ausland/europa/weltklimarat-bericht-klimawandel-101.html und https://www.klima-warnsignale.uni-hamburg.de/weitere-themen/erwaermung/).
Der Anstieg ist indessen kein linearer, sondern ein dynamischer, so dass in den nächsten 8 bis 15 Jahren bereits mit einem Anstieg auf 1,5 Grad Erwärmung gerechnet wird. Überdies wurde im Jahr 2019 eine CO2-Konzentration in der Atmosphäre gemessen, wie es sie seit mindestens 3 Millionen Jahren nicht mehr gab
Die Folgen für alles Leben auf dem Planeten werden – so viel kann schon jetzt gesagt werden – gravierend sein. Wiewohl an Zukunftsszenarien (unter anderem für die Politik – siehe https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2021/08/klimawandel-weltklimarat-zeigt-fuenf-moegliche-szenarien-fuer-die-zukunft-auf) gearbeitet wird, bleibt das Modellieren schwierig und entziehen sich viele der Konsequenzen auch dem wissenschaftlichen Vorstellungsvermögen. Denn nahezu alle Lebensformen stehen in einem evolutionär bedingten biologischen Abhängigkeitsverhältnis zueinander, so dass bereits ein nur punktuelles oder bruchstückweises Einknicken der Biodiversität unabsehbare und überraschende Auswirkungen haben kann.
Lassen sich Chancen für eine Stabilisierung des Klimas – soll heißen, eine nicht über 1,5 Grad hinausgehende Erwärmung – noch rational begründen?
Welche Schlussfolgerungen sind aus der Analyse des Zustandekommens des Klimawandels zu ziehen?
Weiterführende Links:
https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/downloads/report/IPCC_AR6_WGI_Full_Report.pdf